Kuhmilch ist für Kälber gedacht

Die Milchunverträglichkeit beziehungsweise Laktose-Intoleranz ist keine Krankheit. Etwa 75 Prozent der Menschheit ist Laktose-Intolerant. In südlichen Gefilden wie Sizilien können nur 3 von 10 Menschen Milchzucker vertragen, in Südostasien fast niemand. In Deutschland sind 15 Prozent betroffen und in Skandinavien nur 5 Prozent der Bewohner. Die Nordeuropäer haben vergleichsweise früh mit Ackerbau und Viehzucht begonnen und Kuhmilch als Nahrungsmittel für sich entdeckt. Es scheint demnach eine evolutionäre Anpassung zu sein, dass die meisten Nordeuropäer Milchprodukte beschwerdefrei genießen können.

Das aber bedeutet längst nicht, dass Kuhmilch gesund für uns wäre. Es muss auch nichts bedeuten, dass in den nördlichen Industrieländern MS weitaus häufiger vorkommt als in den südlichen Ländern, die kaum Kuhmilchprodukte konsumieren. Diese Tatsache gilt für fast alle chronischen Erkrankungen und das hat sicher viele verschiedene und höchstwahrscheinlich auch ernährungsbedingte Ursachen.

Was MS betrifft, kommt allerdings bei Milchprodukten ein Faktor erschwerend hinzu.

Milcheiweiß ähnelt Körpereiweiß

In der Kuhmilch gibt es ein Eiweiß (Butyrophilin, BTN), dessen Oberfläche der Oberfläche eines Eiweißes im menschlichen Körper ähnelt. Diesem Eiweiß im menschlichen Körper (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein, MOG) wird eine wichtige Rolle bei der Myelinisierung von Nervenzellen im Zentralen Nervensystem zugesprochen. Forscher gehen anhand verschiedener Studienergebnisse davon aus, dass der vermehrte Angriff dieses Eiweißes (MOG) durch MOG-Antikörper eine Ursache für die Zerstörung der Myelinschicht der Nerven bei MS sein könnte. Gelangt nun das ähnlich gebaute Milch-Eiweiß in den menschlichen Körper, passt es seine Oberfläche der des menschlichen Eiweißes noch weiter an. Man nennt diesen Prozess molekulare Mimikry. Dadurch erkennen die MOG-Antikörper auch das Milch-Eiweiß und greifen es an. Einerseits könnte das zwar einen gewissen Schutz bedeuten, da das Immunsystem sich beim Konsum von Milch nicht mehr ausschließlich auf die menschlichen-Eiweiße konzentrieren würde. Aufgrund von weltweiten Erhebungen in Bezug auf den Zusammenhang zwischen MS und Kuhmilchkonsum ist die Wahrscheinlichkeit jedoch weitaus größer, dass der Angriff der MOG-Antikörper auf die veränderten Milch-Eiweiße das Immunsystem noch stärker aktiviert: den Verlauf von MS also negativ beeinflusst. Auch ist es so, dass sich die MOG-Antikörper des Menschen durch den Kontakt mit dem Milch-Eiweiß ebenfalls leicht verändern. Man nennt sie dann „kreuzreaktiv“. Es ist möglich, dass diese kreuzreaktiven Antikörper die für die Entstehung von MS verantwortlichen Immunprozesse auslösen, also sogar ursächlich für MS sind. Übrigens gelten diese Ergebnisse ausschließlich für die flüssige Kuhmilch. Für verarbeitete Milchprodukte wie Joghurt oder Käse ließen sich bislang keine Zusammenhänge mit MS feststellen.

100 Prozentig gesichert sind diese Ergebnisse noch nicht. Es können auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Doch im Internet findest du zahlreiche Erfahrungsberichte von MS-Patienten, die sich durch entsprechende Ernährungsumstellungen wesentlich besser fühlen.

Eine Ernährungsempfehlung, die für alle Menschen optimal ist, wird es nie geben. Auch dir als MS-Patient/In kann leider niemand genau sagen, was für dich gut oder schlecht ist – höre am besten auf deinen Körper.

Gesunde Alternativen

Nicht verzagen: Für jedes nachweislich „schädliche“ Lebensmittel gibt es leckere Alternativen.

Nuss- oder Soja-Drinks z. B. gibt es im Supermarkt zu kaufen. Allerdings kosten sie mehr als Kuhmilch. Wenn du einen leistungsstarken Mixer besitzt, kannst du aus sämtlichen Nüssen wie Mandeln, Erdnüssen oder Paranüssen relativ leicht einen gesunden Milchersatz herstellen.

Als Faustregel gilt, 10 Gramm Nüsse auf 100 Milliliter Wasser. Manche Nüsse wie Mandeln oder Haselnüsse solltest du eine Nacht in Wasser einweichen. Je nach Geschmack kannst du deinen Nuss-Drink mit Datteln oder etwas Honig süßen. Nach dem Mixen, siebe die Flüssigkeit mit einem feinmaschigen Metallsieb, einem Teesieb oder einem ungetragenen Perlonstrumpf. Im Kühlschrank ist pflanzliche Variante etwa 3 Tage haltbar.

Inga Richter
Diplom Biologin

Literatur

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