Hitze verschlechtert bei mehr als der Hälfte der MS-Patienten die MS-Symptome nachweislich. Das gilt vor allem für die Fatigue, das verschwommene Sehen, die Gleichgewichtsstörungen, die Muskelschwäche, das Taubheitsgefühl und kognitive Störungen.

Wenn du im 19. oder frühen 20. Jahrhundert gelebt hättest und mit Verdacht auf MS zum Arzt gegangen wärst, hätte er dich in ein heißes Bad gelegt und abgewartet, ob sich deine neurologischen Symptome verschlechtern.

Die Diagnostik hat sich in den letzten mehr als 100 Jahren doch schon deutlich weiterentwickelt und heiße Bäder kommen nicht mehr zum Einsatz.

Das althergebrachte Vorgehen entbehrt allerdings nicht einer gewissen Logik, denn Hitze kann die MS-Symptome verschlechtern.

Was passiert, wenn sich dein Körper erhitzt?

Vielleicht kommen dir die folgenden Szenarien bekannt vor: Siehst du verschwommener als sonst, wenn du eine Runde laufen warst? Kannst du nicht klar denken, wenn du heiß geduscht hast? Hast du dich z. B. nach einem Sonnenbad urplötzlich sehr, sehr erschöpft gefühlt (Fatigue)?

Hitze verschlechtert bei mehr als der Hälfte der MS-Patienten die MS-Symptome nachweislich. Das gilt vor allem für die Fatigue, das verschwommene Sehen, die Gleichgewichtsstörungen, die Muskelschwäche, das Taubheitsgefühl und kognitive Störungen.

Bevor du aber jetzt anfängst, nur noch kalt zu duschen und in den Polarkreis zu ziehen, solltest du dir vor Augen führen, dass diese Verschlechterung nur vorübergehend ist. Hitze bewirkt weder eine stärkere Krankheitsaktivität noch häufigere Schübe.

Mehr als 60 % der MS-Patienten sind von dieser Hitzeempfindlichkeit betroffen: dem Uthoff-Phänomen.

Darunter verstehen Mediziner die Verschlechterung der Nervenleitfähigkeit bedingt durch eine Erhöhung der Körpertemperatur. Durch die hohen Außentemperaturen, aber auch Fieber, ist der Körper nicht immer in der Lage, die Körperkerntemperatur konstant zu halten. Durch die erhöhte Körpertemperatur kann die Symptomatik der Patienten verschlechtert werden, was sich beispielsweise in einer Verschlechterung der Gehfähigkeit, Konzentrationsbeschwerden oder einer frühzeitigen Ermüdung äußern kann. Die Symptome sind glücklicherweise für gewöhnlich vollständig reversibel. Das heißt, mit sinkender Körpertemperatur klingen die Symptome ab.

Wann ist man „überhitzt“?

Studien haben gezeigt, dass sich die Symptome schon verschlechtern können, wenn die Kerntemperatur um ein Viertelgrad oder ein halbes Grad ansteigt.

Man kann sich bei vielen alltäglichen Tätigkeiten überhitzen.

Einige davon kannst du beeinflussen, z. B. Gartenarbeit bei starker Mittagssonne, Joggen, eine lange heiße Dusche oder die Wut, die in dir hochkocht, wenn du dich wieder mit einem Kollegen gestritten hast.

Andere kannst du dagegen überhaupt nicht kontrollieren. So steigt deine Körpertemperatur bei einer Infektion unweigerlich an, und auch kurz vor und nach der Regelblutung erhöht sich die Körpertemperatur hormonbedingt.

Wie kann ich eine Überhitzung vermeiden?

Es kann frustrierend sein, zu versuchen, seine MS-Symptome zu beherrschen. Einerseits sollst du dich bewegen, damit deine Muskelsymptome besser werden. Andererseits sollst du dich aber auch nicht zu sehr anstrengen, damit du nicht überhitzt und sich andere Symptome, z. B. die Fatigue oder das verschwommene Sehen, nicht verschlechtern. Auf der einen Seite wird dir gesagt, dass Sonnenlicht gut für dich ist. Auf der anderen Seite kann dich die damit einhergehende Hitze beeinträchtigen.

Du siehst: Es geht darum, die goldene Mitte zu finden. So viel zu tun, dass es dir guttut. Aber nicht zu viel, damit es dich nicht beeinträchtigt.

Du kannst und sollst dich natürlich auch weiterhin körperlich bewegen, aber mach es doch lieber, wenn es draußen etwas kühler ist, z. B. morgens oder abends. Auch eine Kühlweste oder leichte, atmungsaktive Kleidung wären eine Option. Oder du kühlst dich schon vorher ab, indem du die Unterarme unter kaltes Wasser hältst. Auch so kannst du verhindern, dass deine Kerntemperatur bei Bewegung ansteigt. Man geht ferner davon aus, dass Krafttraining weniger hitzeintensiv ist als Konditionstraining.

Du kannst weder die Jahreszeiten noch das Wetter beeinflussen. Aber du könntest dir vielleicht eine Klimaanlage anschaffen. Außerdem kannst du verhindern, in der größten Mittagshitze draußen zu sein, indem du das in deinen Alltag einplanst.

Und wenn du dich doch überhitzt hast, dann bring deine Körpertemperatur mit einer kalten Dusche, einem Kühlkissen oder – dem Klassiker des Sommers – einem Eis wieder runter.

Jeder Mensch hat eine andere Temperaturtoleranz. Vielleicht bist du ja auch ein ganz seltenes Exemplar von MS-Patient und erlebst die Symptome immer dann, wenn es kalt ist.

Darum ist es wichtig, auf deinen Körper zu hören. Deine Symptome sind eine Warnung. Höre auf sie und finde heraus was dir guttut. Ruhe dich aus oder trink erstmal etwas Kaltes, wenn sie zu stark werden und beobachte ob es dir hilft.

Olivia Miossec
Master of Science

Literatur

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